Protagonisten

„Du! Dich hab ich, weil du da bist.“
Gretel Sieveking

GRETEL SIEVEKING (geb. Margarete Schaumann)

kam 1937 in Stuttgart zur Welt und wuchs dort als zweitjüngste von vier Schwestern auf. Der Vater, in den 30ern ein gefragter Architekt und christlicher Pazifist, bekam unter den Nazis keine öffentlichen Aufträge mehr und wurde schließlich zwangsweise für den Krieg eingezogen. Als er sich einer Offizierslaufbahn verweigerte, wurde er als gemeiner Soldat an die Ostfront geschickt und fiel 1945 während des Rückzugs in den Tagen der Kapitulation einem sinnlosen Gefecht zum Opfer. Die verwitwete Mutter musste in den Wirren der Nachkriegszeit mit äußert knappen finanziellen Mitteln die vier Töchter aufziehen, denen trotz der Widrigkeiten allen eine Hochschulausbildung ermöglicht wurde. Sie erkrankte wie Gretel an einer Demenz (allerdings war sie da gut zehn Jahre älter) und starb in einem Pflegeheim.

Gretel erhielt nach dem Abitur in Stuttgart ein Stipendium und arbeitete als Werkstudentin in einer Dortmunder Fabrik, um ihr Linguistikstudium zu finanzieren.  Anfang der 1960er Jahre freundete sie sich während ihres Studiums an der Universität Hamburg mit Ulrike Meinhof an, die sie zu einer journalistischen Laufbahn inspiriert. In dieser Zeit lernte sie auch Malte Sieveking kennen.
Nach dem Magister-Abschluss arbeitete Gretel beim NDR, wo sie eine der ersten Moderatorinnen wurde und eine eigene Fernseh-Sendung hatte: „Deutsch für Deutsche mit Margarete Schaumann“ (1965/66).
1966 heirateten Gretel und Malte. Als sie von ihm schwanger wurde, folgte sie ihm nach Erlangen, wo Malte eine Assistenz als Mathematiker erhielt. Gretel übernahm dort eine sprachwissenschaftliche Assistentenstelle. 1967 wurde ihre erste Tochter geboren. Informationen über die Hintergründe des Vietnamkriegs politisierten Gretel und Malte und veranlassten sie, sich im SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) zu betätigen. Aufgrund seiner politischen Aktivität verlor Malte seine Stelle und wurde an eine Schweizer Uni ‚weggelobt’. 1969 siedelte die Familie nach Zürich um, wo Malte wieder eine Assistentenstelle übernahm, und 1970 die zweite Tochter zur Welt kam.

Gretel bekam in der Schweiz keine Arbeitserlaubnis und verschärfte ihr politisches Engagement, gründete einen antiautoritären Kindergarten und schloss sich einer marxistischen Gruppierung an. Sie gehörte bald zur Führungsriege der RAZ (Revolutionäre Aufbauorganisation Zürich), zu dessen Wortführer Peter Niggli, einem bekannten Schweizer Aktivisten der linken Szene, sie auch zärtliche Bande entwickelte. Neben der sozialistischen „Aufklärungsarbeit“ setzte sie sich vor allem für die Aufnahme von politisch verfolgten Flüchtlingen in der Schweiz ein.

1975 kehrte die Familie nach Deutschland zurück und zog schließlich nach Bad Homburg, als Malte eine Professur an der Universität Frankfurt/Main bekam. 1977 wurde ihr Sohn David geboren. Gretel arbeitete viele Jahre als Sprachlehrerin für Deutsch, gab privaten Spanischunterricht und blieb bis ins hohe Alter politisch aktiv; sie engagierte sich bei den Grünen, im Energiewende-Komitee und in einer Frauengruppe. 2005 begannen sich ihre Gedächtnisschwächen bemerkbar zu machen, die in den folgenden Jahren zunehmend ihren Alltag einschränkten. 2008 wurde bei ihr eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert.

Gretel verstarb im Februar 2012.

 

„Gestern hat Gretel zu mir gesagt: Ich liebe dich.“
Malte Sieveking

MALTE SIEVEKING

wurde 1940 in Hamburg geboren, wo er auch aufwuchs. Nach dem Abitur in Berlin begrub er seinen Plan, Maler zu werden und schrieb sich in Hamburg für Philosophie ein, wechselte aber bald zur ‚weniger schwammigen’ Mathematik. Von einem Beruf, für den es eigentlich nur Papier und Bleistift brauchte, versprach er sich ein freies, ungebundenes Leben. Er musste allerdings zu seinem Leidwesen Zeit seines Berufslebens auch einer Lehrtätigkeit an der Universität nachgehen. Nach der Rückkehr aus der Schweiz erhielt er zunächst die Stelle als Vertretung einer Professur für Mathematik in Bielefeld, im Anschluss dann eine Professur in Frankfurt/Main, wo er bis zu seiner Pensionierung tätig war.

Maltes Traum war es, im Ausland zu unterrichten, was er neben einigen Forschungssemestern (u.a. in Norwegen und Kanada) 1978 zusammen mit seiner Familie in Tunesien und 1985 in Ecuador für jeweils ein gutes Jahr realisieren konnte. Im Ruhestand wollte Malte sich seiner mathematischen Forschung widmen und wieder dem Ruf in die Ferne folgen. Doch die Erkrankung seiner Frau gab seinem Leben eine neue Wendung: Er wurde ein liebevoller Krankenpfleger, lernte kochen und ist in den letzten Jahren ein leidenschaftlicher Gärtner geworden.

 

DAVID SIEVEKING

David Sieveking wurde 1977 in Friedberg (Hessen) geboren und wuchs in Bad Homburg, in der Nähe von Frankfurt am Main, auf. 2000 bis 2007 absolvierte er ein Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Während seiner Ausbildung arbeitete er als Cutter, Regieassistent und Darsteller für Kino und TV, er nahm am Berlinale Talent Campus teil und realisierte mehrere Filmprojekte. Für seinen Kurzfilm NACHDREH (2000) erhielt er einen Hessischen Nachwuchspreis. Mit seinem halbdokumentarischen Kurzfilm DIE AMERIKANISCHE BOTSCHAFT (2003) gewann er gleich drei deutsche Nachwuchspreise und wurde 2005 zum Festival de Cannes eingeladen. 2007 schloss er sein Studium mit dem Dokumentarfilm SENEGALLEMAND ab, der beim Filmfest München Premiere feierte. 2010 erschien mit DAVID WANTS TO FLY sein viel beachtetes Kinodebüt: Nach der Premiere auf der Berlinale wurde der Film auf über 40 nationalen und internationalen Festivals gezeigt, erhielt den Hessischen Filmpreis als Bester Dokumentarfilm und kam international ins Kino. VERGISS MEIN NICHT ist David Sievekings zweiter Kinofilm, mit dem er 2012 erneut den Hessischen Filmpreis gewann. Die Welturaufführung fand auf dem 65. Festival del Film Locarno in der Sektion „Semaine de la critique“ statt, wo der Film den Hauptpreis gewann. Parallel zum Kinostart Anfang 2013 wird auch ein gleichnamiges Buch von David Sieveking im Verlag Herder erscheinen.

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