Interview

INTERVIEW MIT DEM REGISSEUR DAVID SIEVEKING

 

Was war der Auslöser für die Entscheidung, einen Film über Ihre Mutter zu machen?

Das war eigentlich ganz pragmatisch: Als meinem Vater die Pflege meiner demenzerkrankten Mutter über den Kopf wuchs, wollte ich helfen. So war die logische Konsequenz: Wenn ich aus der Geschichte meiner Mutter ein Filmprojekt mache, habe ich genug Zeit und Energie, mich um sie zu kümmern. Natürlich unter der Voraussetzung, dass meine Familie einwilligt, und meine Eltern davon profitieren. Es zeigte sich dann bald, dass meine Mutter durch die Dreharbeiten auflebte und meinem Vater das Unternehmen mehr als willkommen war.

 

Haben Sie versucht, Ihrer Mutter klarzumachen, dass Sie einen Film über Sie drehen?

Die Dreharbeiten setzten zu einem Zeitpunkt ein, als meine Mutter abstrakte Zusammenhänge nicht mehr begreifen konnte. Sie wunderte sich immer wieder über den Mann mit der Kamera, der bei uns zu Hause in der Gegend herumstand und so ‚ernst’ guckte. Ich erklärte ihr dann, dass wir einen Film über sie drehten, und das fand sie auch sehr interessant – hat es aber gleich vergessen. Sie hatte auf jeden Fall großen Spaß daran, ein Filmteam, aus jungen Männern, um sich zu haben. Ich glaube, der Film, wie er jetzt ist, hätte meiner Mutter sehr gefallen.

 

Wie sind Sie darauf gekommen, diese Entdeckungsreise in die Vergangenheit Ihrer Mutter zu starten? Wollten Sie Gretel helfen, sich zu erinnern?

Es gab natürlich Versuche, bei ihr etwas wachzurufen. Wie schauten uns beispielsweise alte Fotoalben an, um Erinnerungen zu wecken. Aber als wir mit dem Dreh begannen, gab es nur noch selten solche lichten Momente meiner Mutter, wo sich Gedächtnisinseln zeigten. Mein Impuls war dann: Moment mal, das, was sie mir nicht mehr erzählen kann, das möchte ich jetzt aber trotzdem wissen! Über meinen Vater  bin ich dann auf diese spannende Geschichte in den 70ern gestoßen. Meine Mutter hatte sich jahrelang für den Sozialismus engagiert und war sogar vom Staatsschutz beobachtet worden. Die ehemals geheime Überwachungsakte konnte ich dann, während meiner Recherchen für den Film, einsehen. Gretel hat das alles nie an die große Glocke gehängt, aber mich faszinierte das natürlich sehr.

 

Entwickelte sich wirklich alles so spontan und unerwartet, wie im Film dargestellt?

Wir haben etappenweise über einen Zeitraum von anderthalb Jahren gedreht. Und natürlich verdichtet man im Schnitt die Geschehnisse möglichst stimmig, aber der Dreh war für uns tatsächlich eine Reise ins Ungewisse. Ich stieß bei der Arbeit immer wieder auf etwas Neues, das wir dann weiterverfolgten. Ich wollte den Menschen, der meine Mutter früher war und von dem ich wenig wusste, besser kennen lernen. Genauso lernte ich aber auch den Menschen neu kennen, der meine Mutter durch ihren Gedächtnisverlust geworden war.

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